Der Weg des Schwertes

Kapitel 06 – Unkraut vergeht nicht

“Es geht ihm wie erwartet relativ gut. Dadurch, dass die tiefste Wunde gleich verbunden wurde, ist der Blutverlust nicht lebensgefährlich hoch geworden. Trotzdem würden wir ihn über die Nacht gern noch etwas hier behalten. Wir haben die Wunden gereinigt und Verbände angelegt. Ernste Folgen sind nicht zu erwarten.” “Na das nenn’ ich mal eine gute Nachricht.” Shinichi grinste und auch Kazuha nickte, während sie sich über die feuchten Augen wischte. “Kazu, alles ok?” Ran schaute sie besorgt an. “Klar, ich – ich bin nur müde.” Für Ran war eindeutig, dass es sich dabei um eine schlechte Ausrede handelte, doch sie ging nicht weiter darauf ein. Vielleicht war es ihr einfach unangenehm, schließlich waren sie und Heiji ja – da hatte Shinichi nun einmal recht – nicht zusammen, zumindest noch nicht.

“Wenn sie wollen, können sie ihn jetzt noch einmal kurz sehen, sonst würd ich sie bitten, ihn morgen gegen 11 Uhr abzuholen.” Heizo und Shizuka blickten einander an und nickten. “Geh du Kazuha.” “Was?” Erschrocken schaute sie Shizuka an. Hatte sie sich denn so auffällig verhalten? Wie konnte das sein? “Ich…” “Nun geh schon, wir wollen ja schließlich irgendwann noch zum Schlafen kommen?” Kazuha strahlte in die Runde und nickte bestimmt. Was interessierte sie, was der Rest dachte? Bald würden sie sowieso wissen, dass zwischen ihr und Heiji mehr war, als nur eine Kindergartenfreundschaft. Aber würden sie das wirklich? Was, wenn Heiji gar nicht mehr wusste, was er halb in Trance gemacht hatte? Würde er noch wissen, dass er sie geküsst hatte? Würde er dazu stehen? Was, wenn er einfach alles leugnen würde? Wieviel bedeutete sie ihm eigentlich?

“Nun mach schon, Kazu.” Ran holte sie aus ihren Gedanken wieder zurück und etwas zögernd folgte Kazuha nun dem Arzt auf die Intensivstation zu Heijis Bett. Sie gingen durch einen langen Gang und überall surrten Maschinen. “Hier hinein.” Der Arzt wies auf ein Zimmer zu ihrer Rechten. In dem Zimmer standen zwei Betten. In dem forderen lag ein älterer Mann, der an viele Geräte angeschlossen war, die in regelmäßigen Abständen Pieptöne von sich gaben. Für einen Bruchteil einer Sekunde schlich sich die bittere Befürchtung bei ihr ein, Heiji ebenfalls so vorzufinden. “Hier drüben, Kazu.” Sie ging ein Stück weiter vor. Hinter einer dünnen Trennwand fand sie Heiji. Die Röte stieg Kazuha ins Gesicht. Heiji saß mit freiem Oberkörper im Bett und lehnte sich gegen die Rückwand, die durch ein Kissen gepolstert wurde. Er sah noch immer etwas blass aus, aber er lächelte. “Wie geht’s dir?” “Das sollt ich wohl dich fragen”, konterte sie vorwurfsvoll. Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. “Ich kann nicht klagen.” “Nicht mal über dieses Gepiepe?” “Sie haben gesagt, sie verlegen mich nachher in ein anderes Zimmer. Dann kann ich in Ruhe schlafen und morgen geht’s schon wieder nach Hause.” Kazuha lächelte und blieb unbeholfen im Raum stehen. “Nun komm’ schon.” Heiji streckte ihr seinen rechten Arm entgegen und sie kam vorsichtig näher.

“Hab ich dich denn so sehr verschreckt?” Sie merkte, wie sie die Hitze in ihr aufstieg. Heiji sah sie fragend an. “Es ist nur, nur, du -…” Stirnrunzeln sah Heiji an sich herab und sah dann sie dann grinsend an. “Och Kazu. Du siehst mich doch nicht das erste mal mit freiem Oberkörper! Wenn du’s ganz genau nimmst, hast du mich sogar schon nackt gesehen…” “Du bist blöd, weißt du das?” Trotzdem musste sie lachen, denn Heiji hatte Recht. Als sie klein waren, hatten sie tatsächlich nackt im Garten ihrer Eltern in einem Gummiplanschbecken gespielt, aber das war nun schon fast 14 Jahre her. Sie setzte sich zu ihm auf die Bettkante und schaute ihm direkt in die Augen. Langsam zog er sie wieder zu sich heran. “Ich glaub ich hab uns vorhin unterbrochen…” Kazuha strahlte ihn an. Er hatte es nicht vergessen und er leugnete es auch nicht. Wieder trafen sich ihre Lippen zu einem Kuss, doch dieser war weitaus bestimmter und nicht länger von Unwissenheit geprägt. Sie tauschten viele kleine Küsse aus. Während Heijis Hand über ihren Rücken wanderte und sie näher zu sich heran zog, strich sie ihm durch das Haar, über die Wangen, wieder durchs Haar, über den Nacken. Das Verlangen in ihr wurde immer größer, sie wollte mehr wissen, neues erkunden. Vorsichtig berührte sie mit ihrer Zunge die Lippen ihres Freundes. Dieser reagierte augenblicklich, zog sie näher zu sich heran und öffnete seinen Mund. Doch noch ehe Kazuha reagieren konnte, suchte sich seine Zunge ihren Weg und begann, ihren Mund zu erkunden.

“Verzeihung.” Augenblicklich brachen die zwei Verliebten ihr Spiel ab. “Herr und Frau Hattori baten mich, ihnen mitzuteilen, dass sie nun langsam aufbrechen wollen. “Ja, ich…” “Sie kommt gleich. Einen Augenblick noch.” Der Arzt entfernte sich noch einmal aus dem Raum. “Das war unfair, ich wollte doch ..:” Heiji legte ihr einen Finger auf die Lippen. “Ein andermal, versprochen.” “Einverstanden.” Sie beugte sich noch einmal über ihn und gab ihm einen kurzen Kuss. “Schlaf dich gesund, ok?” “Mh.” “Und versprich mir eins.” “Ja?” “Mach sowas nie wieder mit mir!” “Sag nicht, du hast dir Sorgen um mich gemacht.” Sein Mund verzog sich zu seinem typischen Grinsen. “Natürlich hab ich mir sorgen gemacht!” Der vorwurfsvolle Ton war kaum zu überhören. “Och Kazu, du weißt doch, Unkraut vergeht nicht.” Mit diesen Worten gab er ihr noch einmal einen Kuss. “Und nun los. Ich schätze die anderen warten schon. Grüß sie schön von mir, ja?” Kazuha nickte und verließ das Zimmer.

“Da bist du ja! Wir haben schon gedacht Heiji behält dich gleich da.” Für diesen Kommentar heimste sich Shinichi gleich einen heftigen Stoß in die Seite und einen bösen Blick von Ran ein. Er konnte es einfach nicht lassen, die beiden aufzuziehen. “Ist schon in Ordnung, Ran.” Kazuha war zwar betrübt, dass sie nun von Heiji ablassen musste, aber morgen war ja auch noch ein Tag und dann würde er wieder zu Hause sein. Mit einem Lächeln auf den Lippen fuhr sie fort: “Ich soll euch im übrigen allen einen schönen Gruß bestellen. Es geht ihm soweit ganz gut.”

Zusammen fuhren sie nun nach Hause. Hunger hatte keiner von ihnen mehr und so beließen sie es bei einem kleinen Imbiss, bevor sie sich alle schlafen legten. Am nächsten Morgen wurde Heiji dann wie angekündigt aus dem Krankenhaus entlassen. Nach zwei Wochen sollte er sich noch einmal bei einem Arzt einfinden, damit der die Wunden prüfte und eventuell überfällig gewordene Verbände entfernte. Aus dem schönen Wochenende war für Shinichi und Ran nun natürlich nichts mehr geworden, denn Heiji war nun etwas eingeschränkt. Doch es reichte, um ihnen noch einige Dinge in Osaka zu zeigen und abends ins Kino zu gehen. Das Pärchen aus Tokyo freute sich außerdem, dass ihre Freunde nun doch noch zueinander gefunden hatten, was zumindest für Ran Entschädigung genug war.

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