Der Weg des Schwertes

Kapitel 04 – Verstrickte Vergangenheit

“Heiji?” Heizo klopfte ihm leicht auf die Wangen. “W-Wer?” “Heiji! Komm schon!” Besorgt sah er seinen Sohn an. Gewöhnlich hasste er es, wenn Heiji sich in seine Arbeit einmischte, doch das bedeutete nicht, dass er sich keine Sorgen um ihn machte. Das war nun schon das zweite Mal, dass Heiji zu weit gegangen war. Nun gut, womöglich hätten sie den Bankräuber sonst nicht mehr gekriegt, aber das entschuldigte sein Verhalten nicht im geringsten. “D-Dad?” Heiji schaute irritiert zu seinem Vater, der nicht leugnen konnte, das ihm ein Stein vom Herzen fiel, als er merkte, dass es nicht allzu schlimm um ihn stand. “Mir ist so schlecht. Alles dreht sich…” Erschöpft schloss er wieder die Augen. “Heiji! Nicht einschlafen, hörst du!”

“Da vorn sind sie, Ran!” Kazuha und Ran liefen so schnell sie konnten den Weg entlang. “Ist das Heiji der da liegt?” Ran hoffte nur, dass sie falsch lag. Kazuha antwortete nicht auf ihre Frage, sondern erhöhte ihr Tempo und war in Kürze an der Seite ihres Freundes. “Was ist mit ihm?” Heizo sah der Tochter seines Freundes ins Gesicht. “Er hat einiges an Blut verloren… Kazuha, red mit ihm.” “Mh?” Verwirrt beobachtete, wie Heizo aufstand und sein Handy aus der Tasche angelte. “Halt ihn wach, er darf nicht das Bewusstsein verlieren.” Ängstlich schaute Kazuha Heiji an, dessen Gesicht noch immer Schmerz verzerrt war. “Hey, Heiji, hörst du mich?” “Mh…” “Wie fühlst du dich?” “Davon ab, dass ich meinen Arm kaum spüre und mir ziemlich kalt ist?” Heiji öffnete die Augen und rang sich ein Grinsen ab. Kazuha schenkte ihm ein Lächeln. Sie beugte sich zu ihm runter und streichelte ihm durch’s Haar. “Du bist mir schon einer.” “Einer? Einer von vielen?” Erwartungsvoll blickte Heiji zu ihr hinauf und sie konnte sehen, was es ihm an Kraft kostete, mit ihr zu Sprechen oder einfach nur die Augen offen zu halten. Irgendwas musste sie tun, sie durfte ihn nun nicht kränken, sie musste…

“Das sieht aber gar nicht gut aus.” Zwei junge Männer legten eine Trage neben Heijis Körper und hievten ihn hinauf. Wie in Trance wich Kazuha zurück, doch etwas hielt sie. Mit einem schwachen Griff hielt Heiji Kazuha am Handgelenk fest. Ein dritter Mann mittleren Alters kam hinzu. Die Aufschrift auf seinem Rücken ließ erkennen, dass es sich um den Notarzt handelte. “Es ist halb so schlimm. Er wird bald wieder auf den Beinen sein.” Er lächelte Kazuha an. “Nun erlösen wir ihn aber erst mal von den Schmerzen.” Aus seinem kleinen Koffer holte er eine Spritze heraus und füllte sie mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. “Keine Sorge, es handelt sich lediglich um ein Beruhigungsmittel.” Kurz nachdem er Heiji die Flüssigkeit über den Arm verabreicht hatte, entspannte sich Heiji sichtlich. Doch sein Griff um Kazuhas Handgelenk blieb, wie er war; schwach, aber merklich vorhanden. So begleitete sie ihn zusammen mit den Männern zum Krankenwagen, der ebenfalls bei den Polizeiautos stand. Auf ihrem Weg blickte sich Kazuha um. Der Verbrecher war mittlerweile wieder zu Bewusstsein gekommen und hatte Handschellen angelegt bekommen. Er wehrte sich nicht, sondern ließ sich mit gesenktem Kopf von Toyama und Hattori abführen.

Als ihre Gruppe von den drei Männern passiert wurde, wendete sich Heizo Hattori an Kazuha. “Wenn du nichts weiter vor hast, würde ich dich bitte, ihn zu begleiten.” Mit einem Blick mustere er seinen Sohn, dessen Gesicht nun ruhig und entspannt war. “Ein wenig seelische Unterstützung kann ihm nicht schaden.” Kazuha nickte, immerhin musste sie nun nicht fragen, ob sie mitfahren durfte, das ersparte ihr ein paar unangenehme Fragen. Ihr Blick viel auf den Mann neben ihrem Vater. Er sah gar nicht aus, wie ein Verbrecher. Er war vielleicht Mitte 40, hatte schwarzes stubbliges Haar und dunkle Augen. Respektvoll musterte er Heiji, der mit leerem Blick zurück schaute. Lange hielt dieser Moment nicht an, denn die Polizeibeamten drängten ihn nun weiter und Heiji wurde nun auf schnellstem Weg ins Krankenhaus gebracht.

“Der Junge ist wirklich beeindruckend.” Heizo blickte in den Rückspiegel und in das Gesicht des Mannes, der versucht hatte, seinen Sohn umzubringen. Besagter Mann blickte starr aus dem Fenster. Der Name dieses Verbrechers war Toyama und Hattori noch nicht bekannt, denn sie wussten nicht, wie schnell sich seine Stimmung wieder ändern würde und wollten ihn so schnell wie möglich erst einmal zum Polizeipräsidium bringen. Danach konnten sie sich immer noch genug Zeit für ein Plauderstündchen nehmen. Das würde zwar wieder bedeuten, dass sie nicht zum Abendessen zu Hause sein würden, aber das war nun unwichtig. Eigentlich hätte Hattori diese Arbeit ganz einfach Toyama überlassen können, doch er bestand darauf, bei dem Verhör bei zu sein, er wollte sehen, was das für ein Mann war…

“Irgendeinen Sport, irgendeinen Kampfsport muss er betreiben. Seine Bewegungen, seine…” “Er trainiert seit 10 Jahren Kendo.” Der Mann wandte seinen Blick vom Fenster ab und starrte über den Innenspiegel in das Gesicht von Heizo Hattori. “Kendo. Aber natürlich. Ich hätte es wissen müssen.” “Wer sind sie, dass sie der Meinung sind, so etwas erkennen zu können?” “Ich war einmal Meister für Kendo in Tokyo.” “Sie waren? Das heißt, sie sind es nicht mehr”, mischte sich Toyama nun ein. “Nein. Es kam vor 5 Jahren zu einem schweren Unfall, wobei einer meiner jungen Schüler verunglückte.” “Er starb?” “Ja. Ich hatte damals richtige Schwerter und Attrappen für die Jüngeren zum Üben. Beide waren in einem Schrank untergebracht. Im Laufe der Jahre ging die Nachfrage für traditionellen Sport zurück. Die Jugend interessierte sich eher für Videospiele oder bestenfalls Fußball. Mir fehlte der Nachwuchs. Also veranstaltete ich einen Tag der offenen Tür und lud junge Kinder zu uns ein, um sie einen Blick in die Kunst des Kendo werfen zu lassen, in der Hoffnung dabei Interesse bei ihnen zu erwecken.” Hattori und Toyama unterbrachen ihn nicht. Die Straßen waren voll und selbst mit Blaulicht kamen sie nur langsam voran. “Unterstützung erhielt ich von meinen fortgeschrittenen Schülern. Ich wies sie an, nur die Attrappen für die Neulinge zu nehmen. Doch der Andrang war größer als Erwartet und in seinem Eifer griff ein 8-jähriger Junge nach einem scharfen Schwert. Er spielte mit einem 6-jährigen und es packte sie der Übermut. Besagter Junge schlug einmal zu kräftig zu. Dabei zerbrach die Attrappe, die an sich ja nur aus Holz bestand, auch wenn ihre vermeintliche Klinge silbrig gefärbt war. Das 6-jährige Kleinkind wurde am Hals verletzt und erlitt im Krankenhaus seinen Verletzungen… Natürlich kam eine Klage, doch ich blieb weitestgehend verschont. Man erkannte, dass ich nicht viel machen konnte und der Andrang einfach zu groß war. Trotzdem entzog man mir meine Berechtigung Kendo zu unterrichten. Ich löste den Verein auf, entließ meine drei Helfer. Die zweite Lehrerin hatte schon einen Monat vorher ihr Amt bei mir niedergelegt und so stellte ich augenblicklich die Suche nach einer Vertretung für sie ein.” “Ich weiß. Ich erinnere mich.” Der Mann, der in den letzten 15 Minuten älter geworden schien, schaute Hattori mit trüben Augen an. “Wie meinen Sie das?”

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