Wahrscheinlichkeiten

Projekt Shortstories 2009 – 2. Ziehung.

Note: Ich bin mit dieser Geschichte recht unzufrieden. Ich mag den Anfang, doch das Ende mag mir so gar nicht gefallen. In solchen Fällen tendiere ich oft dazu, das Ende gar nicht erst zu schreiben. Doch der gute Vorsatz lautete ja: Schreiben, schreiben, schreiben.

***

Halb schlitternd halb rennend hastete Sina den glatten Bürgersteig entlang. Ihr Atem lag wie schwerer Dampf in der Luft, während sie keuchend versuchte, nicht den Halt zu verlieren. Fast da. Sie schlängelte sich durch die dicht stehenden Autos auf dem Parkplatz und war erleichtert, endlich den bereits gestreuten Pfad zum Eingang des Gebäudes erreicht zu haben. Auf den letzten Metern erhöhte sie das Tempo. Jappsend zog sie die schwere Tür auf und schlüpfte hinein in die Stille. Die Vorlesung hatte längst begonnen und alle Türen waren geschlossen. Sie eilte weiter, bis sie schließlich vor der Tür des Audimax stand. Sie holte tief Luft und seufzte. So lautlos wie möglich, öffnete sie die Tür, welche kurz danach wieder laut ins Schloss fiel. Die Stimme des Professors erstarb für einen Moment, als sie den Raum betrat. Im hinteren Teil des Hörsaals entdeckte sie ihre Freundin Julie. Peinlich berührt lief sie schnellen Schrittes auf die letzte Bankreihe zu und setzte sich.

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Verlassen

Projekt Shortstories 2009 – 1. Ziehung.

Die Sonne stand tief, als Susan die ersten Häuser sah. Ihre Füße waren wund von der gepflasterten Straße, ihre Sohlen geschunden vom heißen Asphalt. Eine Straße, die vor langer Zeit gebaut und seit Jahren nicht mehr genutzt wurde. Die Häuser der Stadt erstreckten sich in riesige Höhen, die nur von den Bergen des Hochlands, von denen ihr Vater früher zu erzählen pflegte, übertroffen werden konnten. Sie wusste, dass es noch ein weiter Weg sein würde und es für sie keinerlei Möglichkeit gab, die schützenden Mauern der Stadt vor Einbruch der Nacht zu erreichen.

Doch hier draußen gab es keinen schützenden Baum, über die Feder erstreckte dürres Gestrüpp, Gräser und vertrocknete Büsche. Eine Laune der Natur, die sich nun langsam zurückholte, was die Menschen ihr über Jahrhunderte hinweg genommen hatten. Das reiche Volk der Stadt wagte schon lange keinen Schritt mehr hinaus. Der Wind war erbarmungslos, das Regenwasser sauer und die Sonne verbrannte jedem die Haut, der es wagte, sie vor ihrem grellen Gesicht zu entblößen. Die Nacht war mindestens ebenso grausam. War es am Tag so heiß, dass einem der Kopf schwirrte, ließ die Kälte der Nacht seinen Opfern die Glieder erfrieren.

Der kühle Hauch der Abenddämmerung ließ sie zittern, als er ihr in die Kleider fuhr. Schmerzlich erinnerte sie sich an die kleine Hütte ihrer Eltern, die zumindest den Wind aussperren konnte. Doch Susan war nicht dumm. Als Kind war sie oft mit ihrem Vater über die Felder gestreift, während dieser sie nach etwas essbarem durchsucht hatte. Er hatte sie gelehrt, wie sie sich auch ohne Hütte einigermaßen schützen konnte.

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Weggelaufen

“Fleckie!” Die etwas krächzende Stimme einer Frau durchbrach unsere sorgenfreie Unterhaltung. Während er weiterhin auf das Objekt seiner Begierde starrte und es mit seiner Kamera bedrohte, sah ich mich um. “Fleckie, komm sofort zurück!” Ich ging ein paar Schritte weiter, bis ich in die Seitenstraße blicken konnte, aus der die Stimme kam. Ein kleiner Hund lief auf mich zu. Flink und neugierig lief er an mir vorbei. Unsicher sah ich dem Hund hinter er. Es war die übliche Unsicherheit, die mich noch immer jedes Mal befällt, wenn ich mit einem Hund in Berührung komme. Ich erinnere mich nicht an den Schmerz, doch jenes Ereignis in der Kindergartenzeit hatte mir Respekt gelehrt. Und das war es, was ich ihnen entgegenbrachte, wenn ich die auf die äußerste Seite des Bürgersteigs auswich, sobald ich einen sah. Einen Hund.

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Verschleppt.

Sie war gerade neunzehn geworden. Hineingewachsen in eine geteilte Gesellschaft, half sie jenem, den sie liebte, beim Widerstand gegen die Regierung. Es war der erste Januar eines neuen Jahres, Schnee bedeckte den Dreck der Straßen und die Kälte schlich sich unter ihre Kleider. Auf leisen Sohlen schlich sie aus dem Haus ihrer Eltern und huschte unbemerkt durch die Straßen. An einem alten Lattenzaun blieb sie stehen und schaute die Straße hinunter, um sicher zu gehen, dass sie auch niemand sah. Mit zittriger Hand drückte sie gegen einen Balken, der sofort nachgab und ihr einen schmalen Durchgang frei machte. Dünn wie sie war, kroch sie geräuschlos hindurch. Über einen verwilderten Garten drang sie in das verlassene Haus ein. Die Scheiben waren zersprungen und Bretter versperrten die Sicht ins Haus.

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Ein Guter Rat

Fasziniert von dem bunten und kontrastreichen Leben, dass sich mir vor dem Bahnhof erschloss, schritt ich die Promenade entlang. Ich beobachtete die Tauben, wie sie sich um Brotkrumen und Eiswaffelstückchen schlugen, die ihnen Touristen halbherzig zugeworfen hatten und versuchte, ihren Kampf in einem Bild einzufangen.

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