Zu Gast in Polen

Deutsch polnisch historisches Seminar

Bei diesem Seminar handelt es sich um ein neues Projekt ausgehend von der DGB-Jugendbildungsstätte. Im ersten Seminar werden sich deutsche Schüler für 5 Tage zusammen mit polnischen Schülern mit der Thematik des Nationalsozialismus in Polen auseinander setzen.

Im Herbst wird es dann ein ebenfalls 5-tägiges Seminar in der Bildungsstätte geben, zu dem dann die polnischen Schüler nach Deutschland kommen. Für mich ist es nicht nur interessant, die Thematik einmal vor Ort zu erkunden (bisher war ich nur in Ravensbrück und im Belower Wald), sondern auch neue Leute kennen zu lernen. Zudem sind die Seminare dreisprachig: polnisch, deutsch und natürlich englisch. ^^

04.07.2005
Um 19.30 Uhr haben wir uns an der Stadthalle getroffen. Wir, das sind Sabine, Anne, Steffi und ich. Mein Dad hat uns dann nach Berlin gefahren, wo wir in Berlin-Lichtenberg auf dem Bahnhof zu den anderen stießen. Um ca. 21.45 Uhr fuhr dann eine Gruppe von 10 Schülern aus Greifswald und Wittstock sowie zwei unserer Teamer mit dem Nachtzug nach Polen. Da uns zunächst überhaupt nicht nach schlafen war, haben wir uns erstmal zu 5t in ein Abteil gezwängt und Karten gespielt. Neben Eric (Greifswald) spielten Zeitweise auch Sebastian (Greifswald) und Michael (Teamer) mit. Irgendwann gegen 1 Uhr nachts – als sich herausstellte, dass Anne und Steffi in ihrem Abteil noch einen “Schlafgast” haben würden, haben wir die Runde schließlich aufgelöst, uns gewaschen und versucht zu schlafen. Für mich persönlich blieb es mehr ein Versuch, denn die es war nicht nur alles sehr eng und laut, die Liegen waren dazu noch sehr hart…

05.07.2005
Ich glaub, es war 8e rum, als ich dann doch wieder aufgestanden bin, mir etwas Wasser ins Gesicht gespritzt und die Klamotten gewechselt habe. Am Bahnhof in Lublin angekommen, wurden wir dann von den polnischen Mädels (7 an der Zahl) sowie Ewa und Marlena (Teamerinnen) empfangen. Mit dem Bus ging es dann weiter nach Nasutow, dem Ort, indem sich die Bildungsstätte befand. In dem Bus war es ziemlich warm und auf halber Strecke musste uns unser Busfahrer noch ein Geständnis machen. Er hatte vergessen, den Tank nachzufüllen und so standen wir eine Weile am Straßenrand auf dem Land. Michael hat dann einfach eine Honigmelone angeschnitten und so haben wir, bis Hilfe kam, noch ein wenig geplaudert.
Durch die Verzögerung, bezogen wir schließlich etwas verspätet unsere Zimmer. Nach einigem hin und her sah die Zimmeraufteilung so aus, dass ich mit Steffi und Anne in einem Zimmer (mit Matratze) schlafen würde. Sabine teilte sich ein Zimmer mit Josephine, eines der Greifswalder Mädchen, die sich mit ihrem Mitschülern nicht so recht zu verstehen schien. Im Groben und Ganzen haben wir an diesem Tag nicht allzu viel getan. Zunächst gab es einige Kennenlernspielchen. So mussten wir zum Beispiel alle der Reihe nach unseren Namen und etwas, dass zu uns passt sagen (auf englisch) und die entsprechenden Kombinationen unserer Vorgänger wiederholen. Danach haben wir in dt-pl zweier bis dreier Gruppen kleine Interviews geführt und mussten dann in der großen Runde unsere(n) ParnterIn vorstellen.
In der zweiten Hälfte des Tages galt es dann, vorzustellen, was man über die Thematik des 2. Weltkrieges und den Nationalsozialismus schon wusste. Dazu teilten wir uns zunächst in zwei große Gruppen und machten ein Brainstorming. Wir schrieben Begriffe auf, die uns zu der Thematik einfielen, woher wir unser Wissen hatten und was wir von dem Seminar erwarteten. Darauf folgte eine “stille Diskusion”; zu 5 Themen legten unsere Betreuer jeweils ein großes Blatt auf einen Tisch und wir sollten, ohne Kommunikation mit den anderen, aufschreiben, was uns dazu einfiel, Fragen eingeschlossen… Die Plakate wurden dann von Teilnehmern des Seminars vorgestellt – ich hab zum Beispiel “Jewish Life” vorgestellt. Am Abend haben wir dann alle zusammen Volleyball gespielt, allerdings kamen mit der Dämmerung dicke Käfer aus den Bäumen, die uns um die Ohren geflogen sind…

06.07.2005
Heute war der Tag für das Schaffen von Grundlagen. Gleich nach dem Frühstück stand “History Input” auf dem Plan. Akim und Michael hatten zwar schon gekürzt, aber es war trotz allem noch sehr viel und wir versuchten alles mitzuschreiben. Da war jede Pause recht, in der man wieder etwas aufholen konnte. Alles wurde auf Englisch geregelt, sonst hätten wir noch länger gebraucht und Ewa hätte die ganze Zeit übersetzen müssen…
Nach dem Mittagessen sind wir mit dem Bus nach Majdanek gefahren, einem Stadtteil von Lublin. Für alle, die es nicht wissen, in Majdanek befand sich zur Zwit des 2. Weltkrieges ein Konzentrationslager. Die Gruppe wurde dieses Mal unterteilt – Deutsche und Polen – und wir erhielten dann getrennt jeweils eine Führung durch das ehemalige Lager. Nach einem kurzen Film als Einleitung schautenw ir uns zunächst ein Model des Lagers an, auf dem man sehen konnte, wie viele Baracken es ursprünglich gegeben hatte. Denn von 5 bis 6 Feldern existiert heute nur noch eines. Wir schauten uns die Baracken für “Bad und Desinfektion” an und sahen auch die kleinen Räume, in denen Menschen vergast wurden…
Sehr beeindruckend war auch ein Raum, in dem man Schuhe der Opfer sehen konnte – sie waren hinter Gittern bis zur Decke gestapelt – Schuhe über Schuhe, ihre Zahl wage ich gar nicht zu schätzen. In der Ausstellung sahen wir dann vor Häftlingen gefertigte Skulpturen, Haare von Häftlingen und Fotos der Opfer und auch der Aufseher. Außerdem konnte man dort sehen, wie das Zyklon B im “Trockenzustand” aussah.
Nach Besichtigung des noch bestehenden Feldes kamen wir zum Mausuleum, einem Denkmal, indem sich die Asche unzähliger Opfer befindet. Nicht weiter davon fand die Aktion “Erntefest” statt, bei der etwa 45.000 Juden erschossen wurden. Dazu mussten sie sich nackt ausziehen und in Gräben (auch auf die Leichen) legen, wo sie mit einem Genickschuss getötet wurden. Nicht weit entfernt, befand sich ein weiterer Ort des Schreckens: Das Krematorium. Nach Beendigung unserer Tour sind wir schließlich nach Lublin gefahren, wo wir etwas Freizeit erhielten. Anne und Steffi kauften sich in der Stadt jeweils eine Sonnenbrille und danach haben wir uns Eis essend in einen Park gesetzt, wo es auch eine Fontäne gab. Dort sprachen uns zwei ältere Leute unabhängig voneinander an und jedes Mal kamen wir uns ziemlich hilflos vor, weil sie weder deutsch noch englisch verstanden – und wir widerum kein polnisch.
Zurück in Nasutow gab es dann Abendbrot. Theoretisch hätte man an diesem Tag schön schlafen gehen können, aber unsere lieben Hausgenossen aus Greifswald hatten sich in Lublin mit alkoholischen Getränken eingedeckt und auf der Terasse gefeiert. Da sich unser Zimmer praktisch nebenan befand, kamen erst relativ spät zur Ruhe…

07.07.2005
Am Donnerstag waren wir eigentlich für den Tischdienst eingeteilt, aber durch das relativ späte Einschlafen haben wirs geschafft, zu verschlafen und sind erst ca. 10 Minuten vor 8 Uhr aufgewacht. 5 Minuten vor 8 Uhr sollten wir eigentlich in etwa unten sein, um den Tisch zu decken. Glücklicherweise hatten unsere polnischen Mädels nicht verschlafen und schon mit dem Tisch decken begonnen, so haben wir es trotz allem noch halbwegs geschafft…
Nach dem Frühstück und einem kurzen Treffen im Seminarraum, fuhren wir mit dem Bus nach Izbica. Dieses Örtchen in einer ländlichen Region wurde früher hauptsächlich von Juden bevölkert, heute lebt dort kein einziger von ihnen mehr, denn die Nazis haben alle Juden dort hinbringen lassen, bevor sie sie auf die Konzentrationslager verteilten. Auf einem Hügel gibt es dort auch ein Massengrab, wo man viele Juden erschossen hatte. Heute steht dort ein Denkmal, gefördert von einem Mann, dessen Familie bei diesem Mord ebenfalls ums Leben kam.
Mit unserem Guide besichtigten wir Teile des Ortes und er erzählte uns von der Stadt und einigen Personen, die dort einmal gelebt hatten (z.B. Thomas Blatt). Darauf teilten wir uns in kleine Gruppen auf, um Interviews mit Passanten durchzuführen. Anne, Steffi und ich, sowie drei polnische Mädchen gingen zusammen mit Ewa, Akim, Michael und Marlena zu Maria, einer 91 Jahre alten Dame, die schräg gegenüber vom Marktplatz wohnte. Ewa, Akim und Michael hatten sie schon im Mai besucht und sie hatte sich bereit erklärt, mitzumachen. Leider mochte sie uns keine detailierten Dinge erzählen, was wir verstehen können, denn sie erzählte uns, dass sie die Bilder Tag und Nacht vor Augen hat und mit unseren Fragen rissen wir wahrscheinlich die alten Wunden nur wieder auf.
Zum Mittag fuhren wir dann nach Zamosc, wo uns der Regen einholte. Durch das schlechte Wetter kürzten wir den Stadtrundgang und besichtigten lediglich eine ehemalige Festung aus dem Mittelalter, die zur NS-Zeit als Gefängnis diente. Heute befindet sich dort eine Gedenkstätte, doch da fast alles auf polnisch war und wir auf eigene Faust umherwanderten, wurde es für uns relativ schnell langweilig.
Zurück in der Bildungsstätte gab es nach dem Abendessen eine Auswertung des Tages, natürlich auf Englisch. Wir stellten ein wenig dessen vor, wen wir befragt hatten und was man uns erzählt hatte und gaben eine allgemeine Einschätzung des Tages ab. Unsere Teamer stellten bei der Gelegenheit auch gleich klar, dass sie nicht dagegen haben, wenn jemand feiern möchte, doch niemand soll daran gehindert werden, zu schlafen. Jenen, die feiern wollten, wurde dann der Seminarraum angeboten, da der sich in einem extra Haus befand, in dem niemand zu schlafen versuchte.

08.07.2005
Wir nähern uns immer mehr dem Ende des Seminars. Nach dem Frühstück (und dem Schmieren eines Brötchens als Ersatz für das Mittagessen), trafen wir uns kurz im Seminarraum, um dort weiter die Interviews auszuwerten. Danach fuhren wir mit dem Bus nach Majdanek, um dort in den Archiven nach Informationen zu suchen. Womit wir uns beschäftigten, war uns überlassen. Ich habe mich auf Hermine Braunsteiner beschränkt, eine ehemalige KZ-Aufseherin, die den Namen “Die Stute von Majdanek” erhalten hat. Wie kam sie zu diesem Namen? Nun, das Personal eines Konzentrationslagers stellte sich gängiger Weise nicht mit Namen vor und so erhielten sie praktisch Spitznamen von den Häftlingen. Braunsteiner war dafür bekannt, die Häftlinge zu Peitschen und mit eisenbeschlagenen Stiefeln nach ihnen zu treten, deshalb erhielt sie den Namen “Stute” (eine andere Übersetzung des polnischen Namens wäre auch “Schindermähne”)…
Nachdem Steffi und ich fleißig die ganze Zeit ohne Pause gearbeitet hatten und wir auch nach unserer Ankunft in Nasutow weitermachten, um eine Präsentation auf Englisch vorzubereiten, gab es noch ein Zeitzeugengespräch mit Ewa Kozlowska. Sie war als politischer Häftling nach Majdanek gekommen und nach der Auflösung des Lagers in Ravensbrück gelandet. Sie sagt, sie hat im Prinzip nur durch die Hilfe anderer und mit viel Glück überlebt, hat zugleich aber auch anderen geholfen. In Majdanek hatte sie für den Lagerkommandanten als Putzmädchen gearbeitet und dessen Frau hatte immer dafür gesorgt, dass sie etwas mehr zu Essen bekommt, dieses essen hatte Ewa dann mit anderen geteilt. Die Frau des Lagerkommandanten hatte dann dafür gesorgt, dass Ewa in Ravensbrück in der Küche angestellt sein würde, diese Arbeit war nicht so hart, wie manch andere, und sie bekam mehr zu essen. In Ravensbrück wurde sie dann für eine Kur in Schweden ausgewählt – eigentlich wär das nicht möglich gewesen, da sie eine Funktion zu erfüllen hatte, doch Freunde hatten sie dann mit hindurchgeschleußt…

09.07.2005
Aufgrund nächtlicher Ereignisse, die ich nicht weiter ausbauen möchte, da sie mich nicht betrafen, änderte sich der Tagesablauf drastisch. An diesem Stamstag hätten wir eigentlich eine Auswertung des Materials aus den Archiven von Majdanek vornehmen und dann mit der Arbeit an Plakaten für Ausstellungen in Schulen beginnen sollen, doch nun war es uns freigestellt, etwas zu tun. Anne, Steffi, Asia und ich, nahmen uns trotzdem vor, etwas zu tun. Wir haben uns entschieden, ein Plakat über die Stute von Majdanek anzufertigen, d.h. eigentlich 2: eins auf deutsch und eins auf polnsich. Anne hat sich um die Gestaltung gekümmert und Steffi, Asia und ich mit den Texten begonnen. Wir haben nun etwa 70% der Texte auf deutsch und ca. 10% auf polnisch.
Am Nachmittag haben wir dann eine Auswertung des Seminars vorgenommen. Am meisten wurde kritisiert, dass wir nicht wirklich EINE Gruppe waren und ich muss zugeben, wir haben uns auch nicht wirklich angestrengt, mit den Greifswaldern zusammenzuarbeiten, sry dafür, aber die Interessen lagen irgendwie einfach zu weit auseinander. Dafür haben wir all das dann am Abend beiseite gelegt und eine kleine Olympiade gestartet (Dreibeinlauf, Kirschkeinweitspucken etc.) – Resultat des Abends für mich persönlich: Viel zu viele Mückenstiche. ^^’
Schon um 6 Uhr gab es am darauffolgenden Tag Frühstück und wir traten unsere Rückreise nach Deutschland an.

Für das super interessante Seminar möchte ich mich bei
unseren Teamern, Ewa, Akin, Michael und Marlena,
Anne und Steffi,
Asia

und im Groben und Ganzen auch bei dem Rest der Teilnehmer bedanken.

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