Gegen das Vergessen

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… das Frauenkonzentrationslager in Ravensbrück.
Was erwartest du zu sehen, wenn du die Gedenkstätte eines früheren Konzentrationslagers besuchst?

Zitat an einer Wand der Gedenkstätte

Das ist schwer zu sagen, oder? Nunja, bisher kenne ich nur die Gedenkstätte Ravensbrück. Der Besuch am 04. April 2005 war mein zweiter Besuch, organisiert für unseren gesamten Jahrgang von meinem Deutschlehrer. Trotzdem war es nicht langweilig und wieder unmöglich, das Ausmaß des hier verursachten Leids zu verstehen.

Zeitzeugenberichte

Und es war Leid. Man sieht die Bilder der Opfer, die alten Gebäude, aber nichts kann die Berichte von Zeitzeugen ersetzen, die selbst zu den Opfern gehörten. “Es war organisierter Mord.” erzählte eine unserer Gäste und ich denke, sie hat Recht.

Versuche dir einfach vorzustellen, in einer Baracke mit viel zu vielen Menschen zu leben, wenig zu essen und nur soetwas wie ein Shirt zu tragen. Tag für Tag arbeitend, ohne einen Cent dafür zu bekommen. Und für alles, das du falsch machst oder nicht einmal verstehst, bestraft zu werden! Es gibt keine Möglichkeit, deine Sachen zu waschen. Als Mädchen mag man vielleicht nicht einmal versuchen, sich vorzustellen, wie einem Blut die Beine hinunterläuft. Und DAS war nur der Alltag.

Unsere Gäste hatten für 9 Monate bzw. 1 Jahr dort überlebt. Von Videobändern wissen wir, dass es andere noch länger durchgestanden haben.

Experimente und billige Arbeitskräfte

Eine andere abscheuliche Seite des Lagers waren die Experimente an Frauen. So wurden Dinge, wie Stroh, in offene Wunden eingenäht, nur um zu sehen, wie der menschliche Körper darauf reagiert. Etwa 70 Frauen wurden als “Versuchskaninchen” ausgesucht. Keine von ihnen sollte es je überleben, doch glücklicherweise ist es einigen trotzdem gelungen. Denn sonst wüssten wir heute nicht, was hinter den Mauern und Stacheldrahtzäunen alles passiert ist.

Unsere zwei Zeitzeuginnen, die von ihrem Erlebten in Ravensbrück erzählten, berichteten, das große Firmen Frauen aus dem Lager als billige Arbeitskräfte anforderten. “Es war wie ein moderner Sklavenhandel.” Und die Firmen bekamen, was sie wollten. In Ravensbrück gab es sogar einen ganzen Bereich nur für Siemens mit Baracken und Hallen, in denen die Frauen arbeiten mussten.

Niemand will etwas gewusst haben

Menschen aus der nahe gelegenen Stadt beteuerten, dass sie nie wussten, dass Ravensbrück ein Konzentrationslager war und auch viele Firmen trafen solche Aussagen. Aber ich kann mir das nicht vorstellen! Die Frauen wurden auch gezwungen in der Stadt zu arbeiten und sie trugen die normale Kleidung des Lagers. Man hätte also erkennen müssen, dass etwas falsch war.

Figuren gegen das Vergessen

“Figuren gegen das Vergessen” in Ravensbrück

Am Ende unserer Exkursion erhielt jeder von uns eine Rose, die er an einem Ort seiner Wahl im Lager zum Gedenken an die Opfer ablegen konnte. Meine Freunde und ich entschieden uns, die Blumen an den “Figuren gegen das Vergessen” abzulegen. Nun, ich hoffe, niemand wird diesen Teil unserer Geschichte je vergessen und dass soetwas nie wieder passiert.

Für die unter euch, die sich kein Bild machen können:

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… the concentration camp for women in Ravensbrück.

What do you expect to see when visiting the memorial place of a former concentration camp?

Hard to say, isn’t it? Well, I only got to know the former concentration camp in Ravenbrück. As I told you yesterday we had been visiting the memorial place today. It has been my second time. About 3 years ago I had been there the first time with my former class. After all I knew what we were going to see. You’d probably think that it might have been very boring for me today. But I saw things I haven’t seen the last time, and didn see those, I had seen the last time. Again it was really impossible to understand the whole extent of that misery.

And it had been a misery. You can see all the pictures of victims, the old buildings, but nothing compares to the report of witnesses, who had been victims on their own. “It was organised murder.” said one of our guests and I think she was really right.

Just try to think about a barrack with too much people in it, few to eat and only something like a shirt to wear. Working day after day without getting paid for it and being punished for every thing you’re doing wrong or even not understanding! You don’t have any possibility to get washed or to wash your clothes. (Girls, just think about bloud running down your legs. oÔ) And THAT was only daily live. Our guests survived 9 months (1 year) in this misery. Others we saw on video tapes did so for years.

Something really disgusting were also the experiments with the women. One example was that they put things (for example straw) in wounded legs etc. just to see what would happen. There were about 70 women who where chosed as “Versuchskaninchen” (guinea pig). Non of them was supposed to survive but fortunately some did (I don’t remember the numbers), because we would have never come to know what happened in these concentration camps…

The two women, who told us about their experiences in Ravensbrück also told us, that big companies bargained for women as cheap workers. “It was like a modern slave trade.” And well, they got what they wanted. In Ravensbrück there was even a whole area for Siemens with barracks and halls to work in.

People in the town nearby said, that they never knew about Ravensbrück being a concentration camp and a lot of companies also said that about other conentration camps. But I somehow can’t believe that! Women where also forced to work in the town (while the SS was paid for that) and they had to wear their normal clothes, means it was recognisable, that something was wrong.

Figuren gegen das Vergessen

“Figuren gegen das Vergessen” (figures against forgetting) in Ravensbrück

At the end of our excursion everybody of us got a rose which he could lay down wherever he wanted to in remembrance of the victims and the past. My friends and I decided to lay down our flowers at the “Figuren gegen das Vergessen” (figures against forgetting). Well, I hope that nobody will ever forget about it and that something like this will never happen again.

Dunno if anybody actually DID read that and I dunno if your’re (have been) talking about the whole issue and school (and what it was like).

Here is some material you can have a look like (some pictures included):

Well, thanks for reading and thanks to the two women who were answering our questions today! [/english]

Exkursion zur Gedenkstätte Ravensbrück

(basierend auf einer Hausaufgabe für den Geschichtsunterricht 2001 / Fotos aus 2005 nachträglich hinzugefügt)

Am 9. Mai 2001 besuchten wir das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Der Bus hielt vor dem Ausstellungsgebäude. Während der Führung erwartete uns rechts von diesem Gebäude eine riesige Walze, welche Frauen, die bestraft wurden ziehen mussten. Ebenfalls rechts befand sich eine Parkanlage. Sie lag an einem See und am Ufer stand eine Statue, welche eine Frau und ein Kind zeigte. Frau und Kind schienen über den See zu schauen, als wenn sie der Freiheit entgegenblickten. Beide waren sehr dünn. Aus einem Film, der uns gezeigt wurde bevor unsere Führung begann, wussten wir das manche Frauen für einige Kinder sorgten, so als wären es ihre eigenen. Links von dem besagten Gebäude lag neben dem Weg ein kleiner Platz, auf dem seltsam aussehende Figuren standen. Diese Figuren – Figuren gegen das Vergessen – hatten die Gestalt von Menschen, von sehr dünnen, ausgezehrten Menschen, welche fast schon wie Skelette wirkten. In der oberen Hälfte des Oberkörpers waren Dreiecke angebracht, so genannte Winkel.
Eine Spitze des Dreiecks zeigte nach unten. Sie hatten alles unterschiedliche Farben. Rot stand für Politische Gefangene, grün für Berufsverbrecher, blau für Emigranten, violett für Bibelforscher, rosa für Homosexuelle und schwarz für Asoziale. Schräg hinter dem Ausstellungsgebäude breitete sich ein weiter Platz vor uns aus, dem eigentlichen Konzentrationslager-Gelände. Gleich rechts vom Eingang lag die Ruine des Duschraumes, in denen sich die Frauen zunächst einmal waschen mussten.

Ravensbrück

Auf dem weiten Platz standen lange Baumreihen. Unser Führer erklärte uns, dass hier einmal die Kavernen standen, in denen man die Frauen unterbrachte. In jeder Kaverne schliefen viel mehr Menschen als es die Konstrukteure vorgesehen hatten. Bevor die Frauen jedoch in diese Gebäude kamen wurden ihnen, um Krankheiten vorzubeugen, sowohl die Kopfhaare als auch die Schamhaare abrasiert, sie bekamen andere Kleidung und mussten ihren ganzen Besitz abgeben. Heute stehen dort allerdings keine Kavernen mehr, und es ist schwer vorstellbar, dass es dort mal so viele gegeben haben soll. So wie man uns sagte, mussten die Frauen um 2 Uhr morgens aufstehen und sich aufstellen, damit sie bis circa um 6 Uhr gezählt werden konnten.

Unserer Leiter brachte uns nach der Besichtigung in einen Raum, in dem, um ein Modellbau des Lagers, Bänke standen. Er zeigte uns noch einmal wo wir langgelaufen waren, zeigte uns weitere Gebäude und erklärte uns deren Funktionen. Nachdem er fertig war durften wir uns frei bewegen, ohne Führer und Aufsichtspersonen, um unsere Arbeitsaufträge auszufüllen. Der erste Punkt auf dem Arbeitsblatt meiner Gruppe besagte, dass wir uns die zwei Zeichnungen auf unseren Kopien anschauen sollten und dann die Begriffe ‘Winkel’, ‘Individualität’, ‘Einheitskleidung’, ‘Ausweis’, ‘Name’, ‘Nummer’, ‘Gleichheit’, ‘Schönheit’, ‘Eigentum’ und ‘Angst’ zuzuordnen. Auf dem ersten Bild konnten wir eine Gruppe Menschen in vielen verschiedenen Kleidern sehen, sowie Kisten, Koffer und Reisetaschen. Rechts im Bild standen mehrere Frauen in schwarzen Gewändern, möglicher Weise die Aufseherinnen. Dieses Bild sollte wahrscheinlich zeigen, wie die Frauen, gerade in Ravensbrück angekommen, ihr Gepäck und ihre Kleidung abgeben mussten, während die Aufseherinnen alles überwachten. Wir beschlossen diesem Bild die Wörter ‘Individualität’, ‘Eigentum’, ‘Ausweis’, ‘Schönheit’ und ‘Name’ zuzuordnen, da die Frauen hier noch eine eigene Identität hatten, man konnte sie anhand ihres Aussehens leicht unterscheiden.
Im zweiten Bild konnte man auch eine Gruppe von Menschen sehen. Sie schienen jedoch im Freien zu stehen. Sie standen in ‘Reih und Glied’ mit kahl geschorenen Köpfen und in gestreifter Kleidung. Im hinteren Teil des Bildes konnte man einen Berg erkennen, der aussah wie Reisetaschen und Koffer, vielleicht das Gepäck der Neuankömmlinge. Unter dem Bild stand ‘Deux heures après…’. Das bedeutet soviel wie zwei Stunden später. Diesem Bild ordneten wir die Wörter ‘Winkel’, ‘Nummer’, ‘Gleichheit’ und ‘Einheitskleidung’ zu, da diese Frauen nun ihren Namen, ihre Schönheit und ihr Eigentum verloren hatten. Sie hatten nicht länger eine eigene Identität. Statt Namen bekamen sie Nummern und Winkel. Die Gleichheit entstand durch die Einheitskleidung. Nun blieb nur noch der Begriff ‘Angst’. Letztendlich entschlossen wir uns diesen Begriff beiden Bildern zuzuschreiben, denn sie hatten bereits im ersten Bild Angst vor dem, was kommen würde und in der zweiten Situation konnte Angst nicht ausbleiben, da sie ihre Freiheit wahrscheinlich nie wieder erlangen würden.

Zum zweiten Punkt fiel uns erst nichts Gescheites ein. Wir sollten überlegen, welche Bedeutung die Häftlingsnummern und die Winkel hatten. Schließlich sind wir zu der Überlegung gekommen, dass die Häftlingsnummer zum Einen ein Ersatz für die Namen sein sollte und zum Anderen die Frauen demütigen und einschüchtern sollten. Was die Winkel anbetrifft, so dachten wir, dass diese sie in unterschiedliche Gruppen unterteilen sollten, zum Beispiel in Nationalität und Religion, doch auch hier glaubten wir, dass es sich um Einschüchterungsversuche handelte. Bei den Winkeln gab es nicht nur eine Einteilung durch die Farben, auch die Form des Winkels hatte etwas zu sagen. Ein normales gleichseitiges Dreieck kennzeichnete nur die Grundfarbe. Ein gleichseitiges Dreieck mit einem schmalen Balken darüber war das Abzeichen für Rückfällige, ein Dreieck mit einem weißen Kreis darunter, in dem sich wiederum ein kleinerer schwarzer Kreis befand, stand für Häftlinge der Strafkompanie. Der Davidstern, bei dem das vordere Dreieck die Farbe der jeweiligen Gruppe hatte und das untere die Farbe gelb, war das spezielle Abzeichen für Juden. Zudem gab es noch eine Reihe von Sonderzeichen. Ein Davidstern, bei dem beide Dreiecke gelb Waren, dass vordere jedoch eine dicke schwarze Umrandung hatte, stand für einen jüdischen Rassenschänder. Ein anderer Davidstern, bei dem Das hintere Dreieck schwarz und das vordere Dreieck gelb war stand für eine jüdische Rassenschänderin. Ein weißer Kreis mit einem kleineren roten Kreis darin war das Abzeichen für Fluchtverdächtige. Ein rotes Dreieck mit einem P darin, war das Zeichen für einen Pole, und ein rotes Dreieck mit einem T darin, war das Zeichen für einen Tscheche. Ein rotes Dreieck mit schwarzer Umrandung stand für ehemalige Wehrmachtangehörige und das dreidimensionale Bild eines Zylinders, dessen Grundform weiß und dessen Mantel schwarz war, stand für Häftling I a.

Für die letzte Aufgabe sollten wir uns die Haftfotos von Irmgard Konrad anschauen, diese sollten sich in der Vitrine von Irmgard Konrad in der Ausstellung ‘Ravensbrückerinnen’ befinden. Wir sollten nun mit eigenen Worten beschreiben, wie und mit welchen Mitteln die zwei Stunden der Ankunft das Leben und das Selbstbewusstsein der inhaftierten Frauen grundlegend veränderten. Wir fanden zwar eine Vitrine von Irmgard Konrad, aber diese schien nicht die richtige zu sein, denn dort waren keine Haftfotos, wie ich sie mir vorgestellt hatte ausgestellt. Die Haftfotos die dort hingen zeigten Irmgard Konrad mit voller Haarpracht und wurden, laut Angabe, gemacht, weil sie bestraft werden sollte. In ihrem Gesicht spiegelte sich Angst, ihr Mund war zu einer seltsamen Grimasse verzogen und ihre Augen waren weit aufgerissen. In dem Text daneben bemerkte sie abschließend, dass sie das Leben in den Konzentrationslager nicht abgehärtet hatte, sondern es sie nur sensibler gemacht hatte, Sensibler gegen Diskriminierung und Rassenhass.