Vor einigen Jahren habe ich in verschiedenen Blogs über Ausbildungsplatz- und Studiumssuche gelesen. Vielleicht hat sich der ein oder andere dann gefragt, was wohl in dem Kopf des Gegenübers vorgeht? Vielleicht, kann ich euch einen kleinen Einblick in MEINEN Kopf geben. ;)
1.) Bewerbungsunterlagen
Seit einiger Zeit bin ich bei uns in der Firma auch für Bewerbungsgespräche im Bereich Projektmanagement und Kreation zuständig. Ein Thema, das in dieser Form gar nicht so leicht ist, da ich selbst nicht über eine klassische Bewerbung bei uns im Unternehmen gelandet bin. Das Drama fängt dann in der Regel schon bei den Bewerbungsunterlagen an. Wie bewertet man? Wonach entscheidet man, ob man den Bewerber zu einem Gespräch einlädt? Denn man kann einfach nicht alle einladen… Bei der Kreation/Grafik ist es am einfachsten. Wenn die Arbeitsproben nichts taugen, muss ich mir den Rest schon nicht mehr anschauen. Was nützen 20 Praktika und gute Noten, wenn sich die Erfahrung nicht in den Arbeitsproben widerspiegelt? Und was soll ich von Leuten halten, die erst gar keine Arbeitsproben mitschicken? Das funktioniert so einfach nicht. Für das Projektmanagement ist die Sortierung nicht ganz so leicht und die Sichtung dauert dann in der Regel etwas länger.
Grundsätzlich möchte ich im Anschreiben einen Überblick über folgende Eckdaten finden:
A. Welche Stelle? Projektmanager / Interactive Designer / Mediengestalter / …
Ja, was soll es denn sein? Woher soll man wissen, wie man alle Daten werten soll, wenn nicht klar ist, wofür ihr euch bewerbt?
B. Welche Position? Praktikum / Ausbildungsplatz / Festanstellung Vollzeit, Teilzeit?
Das ist nicht für den späteren Vertrag wichtig, sondern daran orientiert sich ganz klar, wie ich die Unterlagen weiter bewerte. Von einem Praktikanten erwarte ich natürlich weniger, als von einem Festangestellten mit Berufserfahrung.
C. Wann soll es losgehen?
Was für die Beurteilung völlig unerheblich zu sein scheint, ist es ganz und gar nicht. Beispiel: Wenn ich bereits einen Praktikanten für den Zeitraum x habe, werde ich einem Bewerber für den gleichen Zeitraum, wenn er mich nicht völlig überrascht, wahrscheinlich absagen. Denn ein Praktikant benötigt Aufmerksamkeit und sinnvolle Aufgaben, sonst ist das Praktikum für beide Seiten nur eine Belastung.
D. Optional: Was wollt ihr verdienen?
Das ist natürlich eine Frage, die man auch im Bewerbungsgespräch klären kann. Es beeinflusst jedoch ebenfalls wesentlich die Wahrnehmung und die Erwartungen an den Bewerber.
E. Was habt ihr vorher gemacht? Warum dieser Job?
Diesen Part schaffen in der Regel alle Bewerber, wahrscheinlich, weil es in jedem Bewerbungs-Ratgeber steht.
2.) Das Bewerbungsgespräch
Auch ein Bewerbungsgespräch läuft dann sehr intuitiv ab. Klar, habe ich verschiedene Fragen, die ich für bestimmte Bereiche Frage. Das sind einerseits fachliche Fragen, andererseits auch klassische Fragen nach Schwäche/Stärken oder dem Umgang mit Stress. Oft sind die ersten 5 Minuten des Gesprächs bereits entscheidend, um mir ein Bauchgefühl zu geben. Denn es geht nicht nur um eine fachliche Prüfung, sondern auch um die Frage, ob der Bewerber oder die Bewerberin auch ins Team passt. Ein Gespräch dauert bei mir in der Regel ca. 30 Minuten. Wenn ich es in weniger Zeit schaffe, dann bedeutet das meistens eine Absage. Anderenfalls muss “mehr” auch nicht positiv sein. Ich habe bereits Bewerber erlebt, die ohne Pause sprechen, wo man keine Möglichkeit hat, zwischendurch die nächste Frage zu stellen. Sowas nervt ungemein. Manches Mal habe ich meinem Gegenüber dann auch schon mitgeteilt, dass er völlig vom Thema abkommt und doch bitte die Frage beantworten soll… Auch nicht unbedingt ein gutes Zeichen.
Absolut unbedenklich finde ich übrigens, wenn ein Bewerber nervös ist. Das ist eine rein menschliche Reaktion und ist durchaus sympatisch, solange trotzdem ein Gespräch zustande kommt. (Und bisher ist das noch jedem gelungen.)
3.) Auswahlseminar
In diesem Jahr stand ich nun vor einer neuen Herausforderung. Wir hatten uns entschlossen, für unsere Kreation/Grafik einen Ausbildungsplatz auszuschreiben. Unerwarteter Weise erhielten wir eine Vielzahl von Bewerbungen. Die Bewerber erhielten von uns alle eine Aufgabe vorab, um zu sehen, wie sie mit neuen Aufgaben umgehen und natürlich auch, um uns ein vergleichbares Kriterium für die Entscheidung zu geben. Wer gut war, sollte zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden.
So der Plan.
Doch schon nach dem zweiten Bewerbungsgespräch war mir klar, dass ich so nie eine Entscheidung treffen könnte, wen wir als Azubi aufnehmen sollten. Es war einfach keine Vergleichbarkeit gegeben und die Gefahr, den/die Erstbeste/n zu nehmen, schien mir zu groß. Also schlug ich vor, ein Auswahlseminar zu machen und verschiedene Bewerber einzuladen, um uns dann anhand ihrer Aufgaben ein Bild zu machen.
Die Erlaubnis hatte ich recht schnell vorliegen. Im nächsten Schritt machte ich mir nun Gedanken, welche Aufgaben wir stellen könnten. Ich orientierte mich hierbei an verschiedenen Übungen, die ich selbst zu Beginn meines Studiums machen musste und stellte einige Theoriefragen zusammen, um zu sehen, in wie weit sie sich mit dem, was wir tun, befasst hatten.
Auf diese Weise entstanden drei Runden und nach jeder wollten wir uns von einigen Bewerbern trennen:
A. Kreativitätsübung
B. Visualisierung und Theorie
C. Rollenspiel “Kundenbriefing” mit Layoutaufgabe
Für die erste Runde entschieden wir zu dritt, wer weiter kommen sollte, anschließend zu zweit. Das Verhalten der Bewerber war höchst unterschiedlich. Manche waren wahnsinnig nervös. Ein Mädchen fragte mich, als sie uns nach der ersten Runde verlassen sollte, ganz verzweifelt, warum sie denn nicht weiter sei und was sie besser machen müsste. Ein anderes Mädchen, dass es doch immerhin bis in die dritte Runde geschafft hatte, meinte – in meinen Ohren etwas weinerlich – dass das sehr schön wäre, wenn es dann doch klappen würde.
Da ich selbst im Rahmen einer Stipendiumsvergabe an einem Auswahlseminar teilnehmen musste, kann ich allen, denen Ähnliches bevor steht, nur folgende drei Hinweise mit auf den Weg geben:
A. Bleibt ihr selbst
Man wird es euch anmerken, wenn er krampfhaft versucht, euch zu verstellen.
B. Habt Spaß bei der Sache
Nur so zeigt ihr den Bewertern, dass ihr die richtigen seid. Es ist leichter, jemandem Wissen zu vermitteln, der mit Begeisterung dabei ist, als jemandem, der alles weiß, Begeisterung zu schenken.
C. Betrachtet es als Erfahrung
Und wenn es alles nicht hilft und es nicht sein soll? Egal! Ihr seid eine Erfahrung reicher und das ist ebenfalls ein Schritt zu eurem Ziel.