Wunder auf Umwegen

In letzter Zeit war es etwas ruhig hier und vielleicht ahnt ihr schon, woran das lag. Ich muss zugeben, dass ich ein ziemlicher “Kopfmensch” bin und selbst nach dem Erleben der Geburt fehlt mir jede Vorstellungskraft, wie es möglich war, dass da aus meinem Bauch nun ein kleiner Mensch gekommen ist. Ein wahres Wunder der Natur – wenn auch gefühlt mit ein paar Umwegen.

Doch beginnen wir am Anfang.

Hinweis: Solltest du schwanger sein und dich über einen möglichen Verlauf einer Geburt informieren wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass dies meine ganz persönliche Erfahrung ist. Jede Geburt ist anders und von Frau zu Frau verschieden.

Deutschland gegen Italien – oder wie es langsam begann

Am Sonntag, den 03. Juli spielte Deutschland gegen Italien in der Europameisterschaft. Den ganzen Abend hatten wir bereits mit einer App die immer regelmäßiger werdenden Wehen aufgezeichnet. Noch konnte ich nebenbei zeichnen, während mein Mann das Spiel schaute, wobei ich bei den Wehen immer aufstand und ein Stressbällchen mein bester Freund der Nacht werden sollte. Irendwann entschied ich, dass ich vielleicht nochmal versuchen sollte, zu schlafen. Es war immerhin später Abend und ich war definitiv müde.
Doch zur Ruhe kam ich nicht mehr. Die Eröffnungswehen hatten sich bei einem Abstand von 5-6 Minuten eingependelt und ich bekam kein Auge mehr zu. Nach dem Deutschland also im 11-Meterschießen den Sieg gegen Italien geholt hatte, begannen wir ganz ruhig zusammen zu packen, haben noch zwei Brötchen aufgebacken und geschmiert und den Katzenfutterautomaten gestellt. Wir hatten schließlich keine Ahnung, was uns erwarten würde und wie lange es dauern würde. Nebenbei zerschellte noch ein Teller auf den Fliesen unserer Küche und nach dem anfänglichen Schrecken dachten wir uns:

Scherben bringen Glück!

1:30 Uhr – Auf in die Klinik

Nach einer weiteren Wehe – ich konnte mit Blick auf den Timer ja schon fast vorher sagen, wann sie wieder kommen würden, machten wir uns auf den Weg in die Klinik. Wir wurden zunächst zu den Kreissälen geschickt, wo eine Hebamme meinen Muttermund abtastete und mich ans CTG legte. Ich war etwas enttäuscht, dass wir erst bei 1 cm waren und auch die Wehen waren wohl noch nicht stark genug. Nach Hause wollte ich allerdings auch nicht wieder, daher wurde ich nach einem Ultraschall erstmal auf die Station verlegt.

In dem noch spärlich belegten 4er Zimmer “wehte” bereits eine andere junge Frau. Ich wollte mich jedoch noch nicht hinlegen, hatte ich doch in Erinnerung, dass Bewegung für den ganzen Vorgang ganz gut sei. Also spazierten mein Mann und ich ein wenig über die Station. Bei all dem Stöhnen auf dem Gang, dass ich nicht unterdrücken konnte, hatte ich jedoch alsbald ein schlechtes Gewissen gegenüber den anderen Patienten und ich versuchte schließlich doch, mich hinzulegen. Die andere Frau auf dem Zimmer meinte, sie habe sich etwas geben lassen, um noch etwas ruhen zu können und ich entschied schließlich, dass ich das auch wollte. Nach einem weiteren CTG und einer Muttermunduntersuchung bekam ich eine Spritze in den Po und konnte zurück auf Station noch einmal ein paar Stunden vor mich hindämmern, während mein Mann im Halbdunkel neben mir saß.

Ca 6:30 Uhr – die Wehen ändern sich

Irgendwann spürte ich, wie sich die Wehen veränderten. Es war nicht mehr nur ein Ziehen, sondern ich spürte erste Reflexe, nun auch zu pressen. Also ließen wir uns meine Akte geben und gingen wieder zu den Kreissälen. Wieder wurde der Muttermund abgetastet, diesmal lagen wir immerhin schon bei 8cm. Die Hebamme ermahnte mich, das Pressen noch zu unterdrücken, bis der Muttermund vollständig geöffnet war. Das gelang mir mehr schlecht als recht… Mein Mann und ich durften diesmal jedoch im Kreissaal bleiben, wobei er noch schnell unsere Kreissaaltasche holte.

Es sollte noch etwa eine weitere Stunde dauern, bevor die Presswehen entgültig einsetzten. Ich muss zugeben, dass ich sie nicht weiter beschreiben könnte, da ich sie tatsächlich verdrängt habe. Ich weiß, dass ich zunehmend frustriert war, da sich gefühlt zu wenig tat. Zu allem Frust ließen die Wehen zwischendrin auch noch nach und ich wurde an einen Wehentropfgelegt.

Immer wieder feuerte mich die Hebamme an, zu pressen, dass sie das Köpfchen schon sehen würde und und und. Doch ich schaffte es einfach nicht. Ich war erschöpft, frustriert und vor allem hatte ich Angst. Für eine PDA war es auch längst zu spät. Warum klappte es einfach nicht?

Die Stimmung kippt

Schließlich kam ein Arzt dazu, der nun Druck auf meinen Bauch ausübte, um nachzuhelfen. Ich schrie wie am Spieß, so weh tat es. Plötzlich wurde die Stimmung ernster, ein zweiter Arzt kam hinzu. “Wir müssen uns jetzt um ihr Kind kümmern.” Meine Angst wuchs, ich hatte das Gefühl versagt zu haben und mir war einfach nur noch nach Heulen zu Mute. Die Ärzte holten eine Saugglocke und wieder folgte ein Schmerz, der mit den Presswehen kaum vergleichbar war. Erst im Nachhinein erfuhren wir, dass die Herztöne unserer Kleinen gefallen waren und sie daher schnellstmöglich geholt werden musste.

Es dauerte dann allerdings nicht mehr allzu lang – es war ca. 11:21 Uhr – und unsere kleine Tochter lag schreiend und zappelnd auf meinem Bauch. Die Erleichterung war groß und wir genossen einen kurzen Moment der Ruhe.

Dummer Weise waren wir noch nicht fertig, denn die Nachgeburt fehlte noch. Das wirkte zunächst ganz leicht, bis die Ärzte feststellten, dass sie nicht vollständig war. Ein Stück der Fruchtblase war noch in der Gebärmutter und musste raus. Mein Mann wurde zur Seite auf einen Stuhl gesetzt und hielt unsere kleine Maus, während es für mich noch einmal losging. Ausschabung der Reste und mehrfaches Nähen und eine Menge Blut. Diesmal wenigstens mit leichter, örtlicher Betäubung. Doch ein Blick auf meinen Mann verriet mir, dass es mind. genauso schlimm aussah, wie es sich anfühlte. Ich war dankbar, dass die Hebamme zwischendrin immer wieder mit mir atmete, das gab mir die Chance, mich auf etwas anderes zu konzentrieren, als auf die Schmerzen.

Alle(s) geschafft

Dann war es endlich vorbei. Mein Mann durfte wieder zu mir und die Kleine kam zum Kuscheln zu mir ins Bett. Die Hebamme kam zwischendrin wieder rein und machte die U1 mit unserer Kleinen.

Babyfüße

Foto: First Moment / Nutzungsrechte bei uns

Sie war 53cm lang und 3160g schwer und alles sah soweit gut aus. Welch Erleichterung!

Fast 2h hatten wir den Kreissaal danach noch für uns, um uns zu erholen. Bis irgendwann der Hunger bei mir einsetzte. Während mein Mann zwischendrin – während ich im Dänmerschlaf lag – eines der Brötchen gegessen hatte, bestand meine Energieaufnahme des Tages ausschließlich aus Traubenzucker und mein Magen begann nun langsam meine Aufmerksamkeit zu fordern.

Da mein Kreislauf völlig im Keller war, durfte ich nicht aufstehen und wurde stattdessen im Bett verlegt. Auf Station erwartete mich immerhin eine warme Mahlzeit – Hühnchencurry mit. Reis, wobei ich erstmal feststellen musste, wie blöd es ist, zu essen wenn man nicht gerade sitzen kann. Dummer Weise hatte ich Messer und Gabel zum Essen, ein großer Löffel wäre besser gewesen. Der Dessertlöffel tat es dann jedoch auch.

Fazit

Ich bin irgendwie froh, dass ich mir keinen genaueren Plan zur Geburt gemacht hatte. Das hätte mich wohl noch größerem Druck ausgesetzt. Ich bin froh, dass am Ende alles gut gegangen ist, auch wenn mich der Beigeschmack des “Versagens” die ersten Tage noch ziemlich plagte. Nun sind mittlerweile 2 Wochen rum und unsere kleine Maus hat auch ihr Geburtsgewicht wieder erreicht und überschritten. Die Nächte sind noch kurz und so 100%ig eingespielt sind wir noch nicht in allen Dingen, aber es wird. :)

Ein paar Erkenntnisse zu den gepackten Taschen:

  • Es ist total praktisch, eine gesonderte Kreissaaltasche zu packen!
  • Ein Stressbällchen gehört mit in die Tasche und hilft durch die Eröffnungsphase. :)
  • Sonst nicht so viel Zeug in die Kliniktasche packen, man hat sowieso keinen Nerv, irgendwas zu machen…
    (Ich hatte ganz naiv ein Skizzenbuch für die Kliniktage danach eingepackt. ;) )